Es ist sonnig, leicht windig, kühl aber. Der Winter will noch nicht ganz
seinen heurigen Abschied nehmen. Ein wenig hatte der Frühling schon
versucht, ihn zu vertreiben, aber die Tische und Sessel vor den Lokalen
sind wieder aneinandergekettet und trotzen dem frischen Wetter.
Zur Abwechslung ist allerdings die Luft in der Stadt nicht mehr so staubig wie in den letzten Monaten. Man kann wieder durchatmen. Fast. Denn die Stadt lebt, obwohl es Samstag Nachmittag ist. Aber das Kauderwelsch an Sprachen ist unüberhörbar und auch die Grazer mischen sich unters Touristenvolk. 2003 zeigt seine Auswirkungen. Die dichtgepackten Menschenmengen erschweren das Atmen wieder. Es ist allerdings ein gutes Gefühl der Atemnot. Ich bin auf der Suche nach Shamrock. Es ist der Samstag vor dem Montag. Die Verkäuferinnen in den einschlägigen Geschäften schauen mich ungläubig an, als ich mitten im März Neujahrs-Kleeblatt haben möchte, noch dazu nur Dreiblättriges. Welch Frevel. Die Idee, in den Irish Pubs nachzufragen, wo sie ihre Shamrock-Nachbildungen beziehen, kommt mir allerdings erst, als ich schon wieder auf dem Heimweg bin. Es ist eine eigenartige Stimmung in dieser Stadt. Fast möchte man von Aufbruch sprechen, aber wohin? Sommer? Es wäre möglich: vor dem Temmel steht eine kleine Menge Leute, lächelnd an ihrem Eis lutschend. Dabei sind sie allerdings in ihre dicken Winterjacken eingepackt und trotzen der Kälte. Unter ihnen macht sich so etwas wie Verschwörer-Stimmung breit. Fast scheint es, als würde die rituelle Handlung des Eisessens den Winter alleine dadurch schon vertreiben können. Nicht ganz uneberechtigt, denn die Strahlen, die zeitweise durch die Wolken brechen, haben durchaus schon ihre Kraft. Leicht amüsiert beobachtet man die auf'tackelte Tuss'n, die am Pflaster ihren Stöckel abbricht und ganz undamenhaft vor sich hinflucht. Weiter auf der Suche nach Shamrock fällt man irgendwann unweigerlich beim Kastner hinein, dessen üblicher Informationsstand nun völlig von 2003 übernommen wurde und man sich fast nicht mehr traut, auch nach dem Fundort von Verkaufsware zu fragen. Dennoch, auch nach Überwindung dieses Hindernisses bleibt die Suche ergebnislos. Ich werde mir wohl ein paar Kleeblätter am Montag selber ausdrucken müssen. Das ist dann das irische Äquivalent zum Konfetti-Bastelbogen. Ist das vielleicht der Grund der Aufbruchsstimmung? 2003? Oder 0003, wie das Logo suggeriert? Das erst seit ein paar Tagen geöffnete Café auf (oder sollte man sagen, in?) der Murinsel ist überfüllt, also wird das Ausweichquartier im Moser-Café bezogen und durch Stadtführer gewühlt. Je nach Kriterium, das man stellt, hat man entweder alle zur Auswahl, oder keinen. Die Mischung aus brauchbarem Stadtplan, nicht zu trockener Präsentation und praktischen Insidertips ist offenbar unvereinbar. Oder es ist reine Berechnung, um zum Kauf mehrerer Exemplare anzuregen. Taucht man wieder auf, bezahlt bei einer schüchtern lächelnden Kellnerin seinen Verlängerten und das selbst Samstag nachmittags überraschend frisch schmeckende Croissant, und sieht, wieder draußen auf der Straße, die erste Uhr, kommt man erst drauf, daß man soeben wieder einmal drei Stunden in einem Buchgeschäft verbracht hat. Als ob das etwas Neues wäre. Dennoch, die Aussage einer Freundin von mir, "bookshops are evil!", mit langezogenem 'e', hat schon ihr Wahres. Gesucht hat man ein einzelnes Buch, beim Nachzählen auf der Straße kommt man auf vier völlig unterschiedliche Druckwerke. Der Heim-Umweg führt durch die Herrengasse. Erfreulicherweise immer noch vollgepackt mit Touristen und Einheimischen. Inklusive der Nicht-mehr-ganz-Jungfamilie, die ihre Sprößlinge durch den Nachmittagsspaziergang zerren, auf der Suche nach der perfekten Familie. Den genervten Mimiken ihrer Kinder nach zu urteilen, hält sich der Erfolg in Grenzen. Als wieder einmal die Sonne durchbricht, klingt aber sogar das Gequietsche der ungestimmten, ungepflegten und von Un-Künstlern gemarterten Geigen etwas fröhlicher. Dick eingepackt, der Wind hat aufgefrischt, marschiert man nun durch den Stadtpark Richtung warmes Wohnzimmer, als das einzelne Paar auf der Parkpank auffällt, die es, ganz offensichtlich ihre Umgebung und die Kälte vergessend, geschafft haben, völlig unschuldig zu wirken, auf den zweiten Blick es aber eindeutig gerade nicht sind. |